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Baden-Württemberg verbietet Schottergärten

Benno Stieber, taz vom 22.7.2020, S. 8, TAZ-Bericht

Die grün-schwarze Landesregierung bringt ein neues Naturschutzgesetz auf den Weg. Der Pestizidverbrauch soll drastisch gesenkt, der Artenschutz erheblich verbessert werden

Von Benno Stieber

 

Deutlich mehr Ökolandbau, nur noch halb so viele Pestizide: Das neue Naturschutzgesetz könnte das bleibende Reformprojekt der sonst recht ambitionsarmen grün-schwarzen Regierung Winfried Kretschmanns in Baden-Württemberg werden.

Die Gesetzesnovelle, die noch vor der Sommerpause im Stuttgarter Landtag verabschiedet werden soll, sieht vor, den Ökolandbau in Baden-Württemberg bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent zu erhöhen. Im gleichen Zeitraum soll die Gesamtmenge der Pflanzenschutzmittel um 40 bis 50 Prozent reduziert werden. Dabei sollen die Pestizide nicht nur in der Landwirtschaft gesenkt werden, sondern auch in der Forstwirtschaft, den Anlagen der Verkehrsbetriebe und in privaten Gärten. Zudem sollen Streuobstwiesen künftig besonders geschützt werden.

Besonderen Symbolwert für den Artenschutz hat zudem das Verbot von Schottergärten auf Privatgrundstücken. Allenfalls dass mit dem neuen Gesetz Beleuchtungen von Denkmälern einer Ausnahmegenehmigung bedürfen, Industrieanlagen aber nicht unter dieses Lichtverschmutzungsverbot fallen, kann man halbherzig nennen.

Der grüne Umweltminister Franz Untersteller hat das Gesetz zusammen mit seinem Kabinettskollegen, dem CDU-Landwirtschaftsminister Peter Haug, auf den Weg gebracht. Und es wird auch von Umweltschutzverbänden gelobt. Wenn der Gesetzentwurf so durch das Parlament komme, „werden wir in Baden-Württemberg bundesweit die beste und fortschrittlichste Gesetzgebung zum Schutze der Biodiversität haben“, sagt etwa die BUND-Landeschefin Brigitte Dahlbender.

Der allgemeinen Begeisterung war ein heftiger Streit unter Umweltverbänden vorausgegangen, der die Ökolandbau- und Naturschutzszene zu spalten drohte. Im vergangenen Jahr hatten die beiden Imker David Gerstmeier und Tobias Miltenberger ihr Volksbegehren für mehr Biodiversität gestartet. Vorbild war das bayerische Bienenvolksbegehren. Hinter den Imkern und ihren Forderungen versammelten sich zunächst fast alle großen Naturschutzverbände. Konventionelle Bauern wandten sich gegen die Initiative. Doch ein radikales Pestizidverbot, das auch Biobauern und -winzern kaum mehr effiziente Möglichkeiten zur Schädlingsbekämpfung gelassen hätte, gingen dann selbst einigen Unterstützern zu weit. Der Erzeugerverband Bioland, eine wichtige Stimme in der Branche, entzog dem Volksbegehren die Unterstützung.

Die Grünen brachten die radikalen Forderungen in die Zwickmühle. Hätte das Volksbegehren Erfolg gehabt, woran nach dem Vorbild in Bayern niemand zweifelte, hätten sie entweder ein Naturschutzgesetz beschließen müssen, das selbst Ökowinzern zu radikal war, oder ein Gesetz für mehr Artenschutz ablehnen müssen. Auch die CDU fürchtete eine solche Entscheidung und warb bei der Agrarlobby für einen Kompromiss, um radikalere Lösungen zu verhindern. Am Ende gelang es der Landesregierung mit vielen Hintergrundgesprächen, dass sich die Initiatoren des Volksbegehrens und ihre Kritiker auf die neue Gesetzesnovelle einigten.

„Das haben wir gemacht, weil der Kompromissentwurf den Beginn einer Zeitenwende markiert“, sagt David Gerstmeier heute. „In Baden-Württemberg ist es nun gesellschaftlicher Konsens, dass Landwirtschaft künftig mehr Öko und weniger Pestizide bedeutet.“ Das Gesetz zeige die „wunderbare Kraft der Zivilgesellschaft“, sagt Gerstmeier. Nun gelte es aber, die Umsetzung des Gesetzes kritisch zu beobachten, betont Tobias Miltenberger, der andere Vater des Bienen-Volksbegehrens. „Am Ende wird es auf die Konkretisierung der einzelnen Ziele ankommen.“